14. August 2024

Objekt des Monats August 2024 Objekt des Monats August 2024

Eine Fotografie des Retabels mit dem Gnadenstuhl aus den Staatlichen Museen Berlins von Jasmin Roth

Eine Fotografie des Retabels mit dem Gnadenstuhl aus den Staatlichen Museen Berlins von Jasmin Roth

Retabel mit dem Gnadenstuhl aus den Staatlichen Museen Berlins
Retabel mit dem Gnadenstuhl aus den Staatlichen Museen Berlins © KHI Bonn
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Objektangaben:

Titel: Retabel mit dem Gnadenstuhl aus den Staatlichen Museen Berlins

Urheber der Fotografie: Unbekannt

Entstehungszeit der Aufnahme: Unbekannt

Technische Angaben: Glasdiapositiv, 9 x 10 cm; Overheadprojektor-Folie, 8,7 x 12 cm; S/W-Abzug, 13,7 x 22 cm

Provenienz: Unbekannt

Inventarnummer: 043127

Kommentar:

Von dem westfälischen Retabel mit dem Gnadenstuhl (um 1250/60), das sich in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin befindet, existieren drei fotografische Reproduktionen in der Foto- und Diasammlung des Kunsthistorischen Instituts: Ein Diapositiv, ein Schwarz-Weiß-Abzug und ein Negativ, das zusätzlich zum Abzug auf demselben Karton befestigt ist. Letzteres stellt insofern eine Besonderheit dar, als es zum einen das einzige Negativ in der ansonsten reinen Positivsammlung des KHI ist, zum anderen handelt es sich nicht, wie zunächst vermutet, um ein Negativ auf Film, von dem der Abzug und/oder das Diapositiv entwickelt wurden, sondern um eine Folie zur Verwendung mit einem Overheadprojektor.[1] Vermutlich wurde es seitenverkehrt angefertigt, um in der Gegenüberstellung mit dem Diapositiv die gestalterischen Besonderheiten des Altarbildes hervorzuheben. Was den Urheber der Objekte betrifft, so kann festgestellt werden, dass der Kunsthistoriker Franz Stoedtner, Gründer eines der ersten kommerziellen Lichtbildverlage, Diapositive des Motivs verkaufte. Da auf dem Diapositiv jedoch die Signatur Stoedtners fehlt, ist davon auszugehen, dass die Abzüge institutsintern – möglicherweise nach Vorlage von Stoedtners Katalog – angefertigt wurden.

Die Reproduktion von Abbildungen aus Publikationen aller Art stellte für das Kunsthistorische Institut eine kostengünstige Möglichkeit dar, die Fotosammlung und die Diathek zu erweitern, da auf den Kauf von Verlagsprodukten verzichtet werden konnte. Als Paul Clemen im Sommersemester 1902 Carl Justi als Ordinarius ablöste, war das heutige Institut noch unter dem Namen „Cabinet für mittelalterliche und neuere Kunst“ bekannt und, trotz seinem Rang als ältester Lehrstuhl für Kunstgeschichte, unzureichend mit wissenschaftlichen Arbeitsmaterial ausgestattet.[2] Mit der Umbenennung Ende 1911 und dem Umzug des Instituts in die größeren Räumlichkeiten des ehemaligen physikalischen Instituts wurden 1913 Räume für die Diapositivsammlung, eine Dunkelkammer und einem Fotografiensaal für Kupferstiche und Fotos geschaffen.[3] Um u.a. den Ausbau der „Vorbildersammlung von Photographien“ voranzubringen, gründete Clemen im März 1914 die „Vereinigung von Freunden des Kunsthistorischen Instituts zu Bonn“ als finanzielle Unterstützung zu den eher geringen staatlichen Zuwendungen.[4] Mit der Intention, ein „mustergültiges Institut für deutsche Kunstgeschichtsforschung auszugestalten“ wurden neben Fotoabzügen vor allem Bücher für die Bibliothek und Gipsabgüsse aus Mitteln der Vereinigung finanziert.[5]

Erst ab Dezember 1927, als Clemen weitere Mittel für den Ankauf von Fotografien zur Verwendung in Publikationen beantragte, konnte der Ausbau der Fotosammlung vorangetrieben werden. Bereits 1936 umfasste die Sammlung des Instituts 120.000 Fotografien, die zum Teil angekauft wurden oder aus Nachlässen wie Marc Rosenberg oder Paul Schubring stammten. Damit einher ging die Einrichtung des „photografischen Arbeitsraumes“ Anfang 1930 mit zwei Dunkelkammern und entsprechender Ausstattung, die den Unterricht in fotografischen Arbeiten ermöglichte und für den Ausbau der Sammlung von Bedeutung war.[6] „[Die] [...] dreigeteilte, großzügig angelegten Dunkelkammer [wurde] ausgebaut, die geeignet ist, den Studierenden als Laboratorium bei den vom Institut veranstalteten photographischen Kursen zu dienen. Ein eigener Lehrgang für das Photographieren von Kunstwerken ist seit 1929 eingerichtet.“ schrieb Clemen in einem Bericht 1933/34.[7]

Der Ausbau der Fotosammlung in den 1930er und frühen 1940er Jahren muss sehr umfangreich gewesen sein, denn bei der Einweihung des Kunsthistorischen Instituts nach dem Wiederaufbau berichtete Heinrich Lützeler 1953 von „[...] über rund 200.000 Fotos und 40.000 Lichtbilder[n], neuerdings auch über farbige, die unter der sachkundigen Beratung des Bayer-Werkes in Leverkusen in eigener Werkstatt hergestellt werden.“[8] Zwar trugen zu dieser Entwicklung auch zahlreiche Ankäufe, Reproduktions- und Dokumentationskampagnen während des Krieges bei, doch die Rolle des Fotolabors ist für Diathek und Fotosammlung nicht zu unterschätzen und an vielen weiteren Abzügen, deren Qualität einen professionellen Verlag eher ausschließen, erkennbar.

Jasmin Roth

Anmerkungen:

[1] Overhead-Projektoren sind in Deutschland seit den 1950/1960er Jahren üblich, während Fotoabzüge bereits vor dem Jahr 1900 und Dias seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts im Unterricht verwendet wurden.

[2] Vgl. Warken 1990, S .9; Clemen 1933, S. 281.

[3] Vgl. Ausst.-Kat. Bonn 1991, S. 98, 117; Clemen 1916, S. 4, 9; Clemen 1933, S. 283f.

[4] Vgl. Ausst.-Kat. Bonn 1991, S. 126. Über die Geschichte der Vereinigung und finanzielle Schwierigkeiten bei der Erweiterung der Institutsbestände, siehe Warken 1990.

[5] Vgl. Warken 1990, S. 33.

[6] Vgl. Warken 1990, S. 77-92; Clemen 1933, S. 287f.; Clemen 1934, S. 15.

[7] Clemen 1933, S. 287.

[8] Lützeler 1954, S. 28; Warken 1990, S. 95.

Literatur und weiterführende Links:

Großdiathek des Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Glasdia des Altaraufsatzes mit dem Gnadenstuhl der Staatlichen Museen zu Berlin mit der Identnummer 11020, URL: https://diathek.kunstgesch.uni-halle.de/dbview/fullview.php?id=11020 [Abgerufen: 15.07.2024]

Ausst.-Kat. Bonn 1991
„Der Rhein ist mein Schicksal geworden“. Paul Clemen 1866-1947. Erster Provinzialkonservator der Rheinprovinz, hg. von Gisbert Knopp, (Ausst.-Kat. Bonn, Rheinisches Landesmuseum, 01.10.-05.11.1991), Köln 1991

Clemen 1916
Paul Clemen: Das Kunsthistorische Institut in Bonn, Düsseldorf 1916

Clemen 1933
Paul Clemen: Das Kunsthistorische Institut, in: Dyroff, Adolf (Hrsg.): Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Bonn am Rhein, Bd. 2: Institute und Seminare 1818-1933, Bonn 1933, S. 280-288

Clemen 1934
Paul Clemen: Das Kunsthistorische Institut der Universität Bonn, Bonn 1934

Kanz 2018
Roland Kanz (Hrsg.): Das Kunsthistorische Institut in Bonn. Geschichte und Gelehrte, Berlin 2018

Lützeler 1954
Heinrich Lützeler: Das Bonner Kunsthistorische Institut, in: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (Hrsg.): Die Einweihung des Kunsthistorischen Instituts der Universität. Reden, gehalten am 4. Juli 1953, Bonn 1954, S. 15-37

Warken 1990
Ruth Warken: Die Geschichte der „Vereinigung von Freunden des Kunsthistorischen Instituts in Bonn“ von 1913-1973 (zugl. Bonn, Univ., Mag., 1990), Bonn 1990

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