In den 25 Jahren seit der "Washington Conference on Holocaust-Era Assets" ist das öffentliche Bewusstsein für Plünderungen, Provenienzforschung und Restitution stets gestiegen. In den letzten fünf Jahren hat das öffentliche Interesse an diesem Thema deutlich zugenommen. Über den historischen Fokus auf die NS-Zeit hinaus sind Objekttranslokationen in weiteren Unrechtskontexten in den Fokus gerückt. Auch die Restitution von Artefakten wird zunehmend befürwortet, und die Fälle werden in den Medien ausgiebig diskutiert.
Es ist an der Zeit, sich kritisch mit diesen Entwicklungen auseinanderzusetzen, internationale Expert*innen zusammenzubringen und den europäischen Vergleich und Austausch zu fördern. Neben der wichtigen fachlichen Arbeit zur Feststellung der Fakten bedarf es mehr denn je einer konzeptionellen und theoretischen Basis in
der Provenienzforschung. Während die politische Dringlichkeit dieser Projekte offensichtlich ist, wurde die Provenienzforschung oft technisch und positivistisch angegangen. Doch Provenienz umfasst viel mehr als nur Daten, Namen und Objektbewegungen. Sie muss eher als ein "erweitertes Feld" gedacht werden. Dabei geht es nicht nur um die kritische Auseinandersetzung mit den Identitäten von Kunstwerken, sondern auch um die Handlungsmacht derjenigen, die an ihren Transfers und Transaktionen beteiligt sind, und um die Moral, die diesen Bewegungen zum Zeitpunkt der Transaktion und danach zugeschrieben wird.
Zu diesem Zweck haben die Forschungsstelle für Provenienzforschung, Kunst- und Kulturgutschutzrecht der Universität Bonn und das Art History Department der University of Cambridge ein Kooperationsprojekt gestartet, um neue Forschungsergebnisse und Perspektiven in diesem Bereich zusammenzuführen.
Die Ergebnisse der ersten Reihe von Projektworkshops sind in einen Sammelband eingeflossen, der 2025 bei De Gruyter erscheinen wird.
Projektleitung: Jun.-Prof. Dr. Lucy Wasensteiner (Bonn), Dr. Mary-Ann Middelkoop (Cambridge)