Objektangaben:
Titel: Die Himmelfahrt Mariens von Fra Bartolomeo
Urheber der Fotografie: Verlag Franz Hanfstaengl
Entstehungszeit der Aufnahme: 1893
Technische Angaben: 25 x 16 cm, Albuminabzug
Provenienz: Sammlung Francis Simrock; 1898 KHI, Bonn
Kommentar:
Bilddokument - Sammelobjekt - Lehrmaterial
Die hier zu sehende Fotografie dokumentiert ein großes Altarbild, das inzwischen für uns verloren ist. Die 301 x 195 cm messende Himmelfahrt Mariens wurde von Fra Bartolomeo um 1508 für die Compagnia dei Contemplanti geschaffen,[1] gelangte aber noch im 16. Jahrhundert in den Besitz der Familie Medici.[2] Im frühen 19. Jahrhundert wurde das Bild vom preußischen Königshaus erworben und war ab 1904 im Berliner Kaiser Friedrich-Museum (heute Bode-Museum) präsentiert.[3] Im Zweiten Weltkrieg wurde es vermutlich im Flakbunker Friedrichshain zerstört, wo weitere 433 Gemälde 1945 einem Brand zum Opfer fielen oder geplündert wurden.[4]
Die Fotografie aus dem Kunstverlag Franz Hanfstaengl von 1893 zählt zu den wenigen Bildzeugnisse dieses zentralen Werks der Florentiner Renaissance und hat folglich besonderen Quellenwert. Der in München beheimatete Verlag hatte 1887 eine Konzession erhalten, Werke der königlich-preußischen Gemäldesammlung fotografisch zu reproduzieren, was bis dahin exklusiv der Berliner Photographischen Gesellschaft gestattet war.[5] 1887 bis 1900 nahm das Unternehmen 806 Gemälde in Berlin auf.[6] Die fotografischen Reproduktionen wurden ab 1888 in drei Folgen (zu 68, 82, 106 Stück) veröffentlicht, die zusammen ein repräsentatives Galeriewerk bildeten aber auch einzeln erworben werden konnten.[7] Die Abzüge waren bei Hanfstaengl in unterschiedlichen Formaten und technischen Ausführungen zu bestellen. Die Himmelfahrt Mariens etwa wurde als günstigere „Silber-Photographie“ auf Albuminpapier oder als Kohle- bzw. Pigmentdruck angeboten, und zwar im „Folio“- oder „Royal“-Format.[8] Die Abzüge konnten auf einem standardisierten, vorgedruckten Karton aufgezogen werden, wodurch das Einzelblatt als Teil eines Mappen- oder Galeriewerks ausgewiesen wird. Auch bei unserer Fotografie ist das der Fall: Die Reproduktion des Gemäldes, die dem Format des Altarbilds entsprechend mit halbrunden Abschluss zugeschnitten wurde, ist auf einem Kartonbogen montiert. Auf diesem findet sich der Vordruck „Die Königl. Gemäldegalerie zu Berlin“, in einem gerahmten Feld darunter wurde ein Papierstreifen mit Zuschreibung, Titel, Galerienummer und Aufnahmedatum aufgeklebt.
Wie aus einer rückseitigen Beschriftung geschlossen werden kann, befand sich die Fotografie einst im Besitz von Dr. Francis Simrock. Der weitgereiste Arzt und Mäzen übergab 1898 seine umfangreiche Sammlung von Kunstreproduktionen dem „Kabinett für neuere Kunst“ (so die Bezeichnung des Kunsthistorischen Instituts bis 1911). Diese Schenkung von etwa 10.000 Blättern bildet einen wesentlichen Grundstock für unsere Fotosammlung. Simrocks Kollektion war, wie Paul Clemen später berichtet, „methodisch geordnet und von einem genauen Katalog begleitet“ und beinhaltete in systematischer „Vollständigkeit die ganze italienische, deutsche und niederländische Malerei vom Ausgang des Mittelalters bis zum 18. Jahrhundert.“[9]
Gernot Mayer
[1] Zur Datierungsfrage siehe Padovani 2019, S. 298f.
[2] Vasari 1568, S. 40.
[3] Skwirblies 2017, S. 580.
[4] Siehe dazu: Chapuis / Kemperdick 2015; Dehnel 2021.
[5] Peters 2002, S. 184. Allgemein zu dem Verlag Franz Hanfstaengl siehe Heß 1999.
[6] Heß 1999, S. 258.
[7] Peters 2027, S. 43.
[8] Siehe Hanfstaengl 1903, S. 6.
[9] Clemen 1933, S. 282
Weiterführende Literatur:
- Chapuis / Kemperdick 2015
Julien Chapuis / Stephan Kemperdick (Hg.), Das verschwundene Museum. Die Berliner Skulpturen- und Gemäldesammlungen 70 Jahre nach Kriegsende, Kat. Ausst. Berlin, Peterberg 2015 - Clemen 1933
Paul Clemen, Das Kunsthistorische Institut, in: Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Bonn am Rhein, Band 2: Institute und Seminare 1818–1933, Bonn 1933, S. 280–288 - Dehnel 2021
Regine Dehnel, What Happened in the Friedrichshain Flak Bunker in May 1945?, in: Predella. Journal of visual arts, 50, 2021, S. 121–137 - Hanfstaengl 1903
Verlagskatalog von Franz Hanfstaengl, 2. Teil: Hanfstaengls Galerie-Publikationen, München 1903 - Heß 1999
Helmut Heß, Der Kunstverlag Franz Hanfstaengl und die frühe fotografische Kunstreproduktion. Das Kunstwerk und sein Abbild, München 1999 - Padovani 2019
Serena Padovani, Fra Bartolomeo nella prima attività da frate-pittore e l'inizio del rapporto con Raffaello. Due questioni di cronologia, in: Mitteilungen des Kunsthistorischen Institutes in Florenz, 61, 2019, S. 287–307 - Peters 2002
Dorothea Peters, Fotografie als "technisches Hülfsmittel" der Kunstwissenschaft. Wilhelm Bode und die Photographische Kunstanstalt Adolphe Braun, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 44, 2002, S. 167–206 - Peters 2017
Dorothea Peters, Van Eyck belichtet. Eine Geschichte der frühen Gemäldefotografie, in: Stephan Kemperdick/Johannes Rößler/Joris Corin Heyder (Hg.), Der Genter Altar. Reproduktionen – Deutungen – Forschungskontroversen, Berlin 2017, S. 35–57 - Skwirblies 2017
Robert Skwirblies, Altitalienische Malerei als preußisches Kulturgut. Gemäldesammlungen, Kunsthandel und Museumspolitik 1797–1830, Berlin/Boston 2017 - Vasari 1568
Giorgio Vasari, Le vite de' più eccellenti pittori, scultori e architettori, Florenz 1568