Objektangaben:
Titel: Das Theoderich-Mausoleum in Ravenna
Urheber*in der Fotografie: Unbekannt
Entstehungszeit der Aufnahme: um 1910–1918
Technische Angaben: 24 x 18 cm, Kartonierte Fotografie (Albuminabzug)
Inv.- Nr.: 203174
Kommentar:
Der Baubeginn des Mausoleums für den König der Ostgoten Theoderich den Großen (gest. 526) wird gemäß der Bischofschronik von Agnellus und den Excerpta Valesiana auf die Jahre 522/523 datiert. [1] Die auf dieser Aufnahme sichtbare Ansicht der Westseite zeigt den Zustand des Mausoleums Anfang des 20. Jahrhunderts. Von besonderem Interesse sind die zwei Freitreppen, deren Entwurf aus dem Jahre 1774 durch A. Farini erfolgte und deren Ziel die Schaffung des Zugangs zum Obergeschoss war. Letzteres wurde zu jener Zeit als Kapelle S. Maria Rotonda genutzt. Im Rahmen der Freilegung des Untergeschosses sowie der damit einhergehenden umfangreichen Restaurationsarbeiten wurden die Treppen 1918/19 jedoch wieder entfernt. [2]
Im Bestand der Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz befindet sich eine Aufnahme, bei der die Freitreppen ebenfalls vorhanden sind, jedoch offensichtliche Unterschiede in der Baustruktur aufweisen. [3] Diese Aufnahme wurde wahrscheinlich vor 1879 gemacht. Beim Vergleich der beiden historischen Aufnahmen fallen die Unterschiede an der Tür und im Bereich des Untergeschosses auf, die darauf hindeuten, dass die Bonner Aufnahme einen späteren Zustand des Grabmals dokumentiert. Damit ist auch die Datierung der Aufnahme auf die Jahre zwischen 1879 und 1918/19 festzulegen. Aufgrund weiterer Fotografien, die Bruno Schulz in seiner Arbeit 1911 publiziert hat, lässt sich die Zeitspanne der Entstehungszeit genauer eingrenzen. Im Abzug des KHIs in Florenz sind ovale Ausschnitte in der Holztür zu beobachten, die ebenfalls in den Fotografien aus dem Jahr 1910 zu sehen sind. Auf der Bonner Fotografie sind dagegen quadratische Ausschnitte an der Holztür erkennbar. Die Aufnahme muss also zwischen 1910 und 1918 entstanden sein.
Ein weiteres Indiz für die Datierung ist der Stempelabdruck "Kunsthist. Institut Bonn" auf der Rückseite des Kartons, auf dem die Fotografie montiert ist. Dieser Stempel, der vermutlich bei der Umbenennung des Instituts 1911 angeschafft wurde, war bis etwa 1918 in Gebrauch. Es ist daher davon auszugehen, dass Fotografien mit dieser Stempelung in jenem Zeitraum erworben wurden. Das signifikante Interesse an der Italienforschung lässt sich anhand der beachtlichen Zuwächse an Beständen im Archiv des KHIs ablesen. Die Herkunft und der Urheber des Abzugs sind letztlich lediglich Spekulationen, die anhand ähnlicher Abzüge des Mausoleums aus dem Bestand des KHIs vom Verlag Alinari und Fotograf Pietro Poppi lediglich vermutet werden können. [4]
Heute sehen wir das Theoderich-Mausoleum nicht mehr in seinem ursprünglichen Zustand. Viele Eingriffe haben das Erscheinungsbild des Bauwerks verändert. Die in der Sammlung des KHIs enthaltene Fotografie dokumentiert den Zustand des Bauwerks zwischen 1910 und 1918 und erlaubt somit einen Blick in die Vergangenheit.
Jil Martine Schuch
Anmerkungen:
[1] Valesianus (546–552) berichtet, dass Theoderich das Mausoleum in seinen Lebzeiten errichten ließ: „se autem vivo fecit sibi monumentum ex lapide quadrato et saxum ingentem, quem superponeret, inquisite“. (Exc. Vales. XVI, 96: Excerpta Valensiana aus dem mittleren 6. Jahrhundert; zitiert nach: Jäggi 2013, S. 213). Auch Agnellus führt aus: „sepultusque in Mausoleum quod ipse aedificare jussit extra portas Artemetoris“. (Zitiert nach: Durm 1906, S. 33).
[2] Seit 1844 arbeitete man daran, das Untergeschoss freizulegen, wobei man fast bis zum Fundament des Gebäudes vordrang. Vgl. Deichmann, 1974, S. 213/214.
[3] Die im Obergeschoss vorhanden Holztüren der beiden Aufnahmen, einmal die des KHIs Bonn und die des KHIs Florenz (vor 1879?), weisen unterschiedliche Merkmale auf. Im älter datierten Abzug sind ovale Ausschnitte in der Holztür und in den jüngeren quadratische Ausschnitte zu erkennen. Vgl. Schulz 1911, S. 1f; Aufnahme des KHIs Florenz, vor 1879: https://photothek.khi.fi.it/documents/obj/70001441/fld0008025x_p [Aufruf: 07.07.2024]; Aufnahme aus der Publikation von Schulz, um 1910: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/c/c9/Ravenna_theoderich_grabmal_01.jpg [Aufruf: 07.07.2024].
[4] Zwei weitere Aufnahmen des Theoderich-Mausoleums (Inv.-Nr.: 13022 und 13027), deren Herkunft anhand der Angaben auf dem Abzug nachvollziehbar sind, lassen den Schluss zu, dass auch diese Aufnahme zum gleichen Einkauf gezählt werden können. Die Herkunft aus Italien kann daher mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Literatur:
Deichmann 1976
Friedrich. W. Deichmann: Ravenna. Hauptstadt des Spätantiken Abendlandes, Bd. I: Kommentar, Wiesbaden 1976
Durm 1906
Josef Durm: Das Grabmal des Theoderich zu Ravenna, In: Zeitschrift für bildende Kunst, Neue Folge, Bd. 17, 1906, S. 245–259
Durm 1908
Josef Durm: Nochmals das Grabmal des Theoderich zu Ravenna, In: Zeitschrift für bildende Kunst, Neue Folge, Bd. 19, 1908, S. 211–215
Fiechter 1937
Ernst Fiechter: Die Lösung des Rätsels vom Theoderich-Grabmal in Ravenna, In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, Bd. 4, 1937, S. 1–15
Haupt 1913
Albrecht Haupt: Das Grabmal Theoderichs des Grossen zu Ravenna, Leipzig 1913
Heidenreich 1971
Robert Heidenreich & Heinz Johannes: Das Grabmal Theoderichs zu Ravenna, Wiesbaden 1971
Jäggi 2013
Carola Jäggi: Ravenna. Kunst und Kultur einer spätantiken Residenzstadt. Die Bauten und Mosaiken des 5. und 6. Jahrhunderts, Regensburg 2013
Jänecke 1928
Wilhelm Jänecke: Die drei Streitfragen am Grabmal Theoderichs (= Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1927/28), Heidelberg 1928
Schrenk 2021
Sabine Schrenk: Das Theoderichmausoleum in Ravenna, In: Dietrich Boschung et al. (Hrsg.): Erinnerte Macht. Antike Herrschergräber in Transkultureller Perspektive, Paderborn 2021, S. 199–223
Schulz 1911
Bruno Schulz: Das Grabmal des Theoderich zu Ravenna und seine Stellung in der Architekturgeschichte, Würzburg 1911