Objektangaben:
Titel: Die Südfassade St. Kolumbas in Köln mit Baustelle des Disch-Hauses
Urheber der Fotografie: Unbekannt
Entstehungszeit der Aufnahme: 1929
Technische Angaben: 11,7 × 16,7 cm, S/W-Abzug
Provenienz: Unbekannt
Kommentar:
Durch die Dokumentation der Fassade der Kirche St. Kolumba gewinnt diese Aufnahme erheblich an Bedeutung für die Forschung: Bereits im Mai 1942 wurde die Kirche während des Tausend-Bomber-Angriffs der britischen Luftwaffe beschädigt und schließlich am 26. Juni 1943 durch Spreng- und Brandbomben endgültig zerstört.[1] Nach dem Krieg blieben nur noch Teile der Umfassungsmauern und einer der Chorpfeiler mit einer spätgotischen Madonna erhalten, welche zu einem Symbol der Hoffnung wurde und der Ruine den Namen „Maria in den Trümmern“ gab.[2]
Zwischen 1947 und 1950 führte Gottfried Böhm den Bau eine achteckige Kapelle aus, deren Bauform typisch für Sakralbauten der Nachkriegsjahre war. Die erhaltene Marienstatue mitsamt Sockel und Baldachin wurde zentral im neuen Kapellenbau integriert, und auch weitere Trümmer konnten als Spolien z. B. für das Bodenmosaik genutzt werden. Ursprünglich als Provisorium und später als Denkmal der Kriegszerstörungen angedacht, wurde 1956 jedoch eine Sakramentskapelle nördlich des ehemaligen Turmstumpfs eingerichtet und die ursprünglich lichtdurchflutete Kapelle durch den umstrittenen Bau des Diözesanmuseums 2003–2007 nach Entwürfen von Peter Zumthor eingeschlossen.[3] Angesichts der intakten Architektur, insbesondere der Fenster, kann es sich bei der Aufnahme nicht um ein Bild während oder nach dem Krieg handeln – warum also die Berge von Schutt im Vordergrund des Bildes?
Die Aufnahme zeigt die Ruinen des Gebäudes an der Brückenstraße, Ecke Herzogstraße – das ursprüngliche Disch Hotel, das unter der Leitung der Familie Werhan abgerissen und als moderner Büro- und Geschäftskomplex (heute als „Disch-Haus“ bekannt) wiederaufgebaut wurde. Nach einem Wettbewerb im Juli 1928 wurde das Gebäude von den Architekten Bruno Paul und Franz Weber 1929/30 errichtet und am 1. Februar 1930 eingeweiht.[4] Aufgrund der kurzen Bauzeit lässt sich die Aufnahme also sicher auf das Jahr 1929 datieren; sie entstand aus einem der oberen Stockwerke des gegenüberliegenden Hauses. Auffällig ist, dass Urheber*in der Fotografie nicht nur die Gelegenheit nutzte, die sonst durch das Gebäude verdeckte Fassade der Kirche zu dokumentieren, sondern auch das rege Treiben auf der Straße sowie der Baubetrieb wurden – möglicherweise bewusst – aufgenommen, da der Bildausschnitt den Kirchturm zugunsten der Baustelle anschneidet.
Das Foto dokumentiert somit auch den Wandel des Kolumbaviertels im 20. Jahrhundert: Auf dem Areal früherer Kloster entstanden großräumige öffentliche Gebäude anstelle von Wohnvierteln, und moderne Bauten wie das Disch-Haus in Form einer „unendlichen Kurve“ veränderten das Bild der Altstadt.[5] Es zeigt, wie St. Kolumba mitten in das Netz der bedeutendsten Geschäfts- und Verkehrsstraßen der Stadt eingebunden und von hohen Häusern nahezu eingeschlossen wurde. Dies führte nicht nur zu Schwierigkeiten im Betrieb der Kirche, sondern auch zum Verlust des Gemeindebewusstseins, da zahlreiche benachbarte Kirchen und Kapellen den Anwohnern zur Verfügung standen.[6] Die bereits vor dem Krieg schrumpfende Gemeinde und starke Zerstörung nach der Bombardierung führten schließlich dazu, dass die gotische Kirche nicht rekonstruiert wurde.[7]
Jasmin Roth
Anmerkungen:
[1] Vgl. Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, S. 47f.
[2] Vgl. Eckert 2016, S. 151.
[3] Vgl. Ebd.; Pehnt 1999, S. 44–48; Hoffmann / Gregori 2014, S. 54; Backes 2015, S. 27ff.; Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, S. 51–54; Durisch 2014, S. 165–167. Zur Projektgenese des Museums siehe Backes 2015, Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, Gührer 2020 und Durisch 2014.
[4] Vgl. Fuchs 1991, S. 2 11; Eyll 2010, S. 117, 129; Ziffer 1992, S. 278–280; Drebusch 2019, S. 138f. Über die Geschichte des Hotels Disch am Standort gegenüber St. Kolumba siehe Eyll 2010; der Neubau des Geschäftshauses wird in Ziffer 1992 und Drebusch 2019 näher betrachtet.
[5] Vgl. Ziffer 1992, S. 279.
[6] Vgl. Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, S. 42–45.
[7] Vgl. Hartmut 2019, S. 173; Backes 2015, S. 28; Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln 1997, S. 45.
Literatur und weiterführende Links:
Backes, Elke: Kolumba. Die Evolution eines Museums, Mönchengladbach 2015.
Berghorn, Frauke: Kontrast oder Verschmelzung? Bauen mit Ruinen heute (zugl. Dortmund, TU, Diss., 2016), Berlin 2016.
Drebusch, Thomas: Bruno Paul. Schönheit ist Freude, Soest 2019.
Durisch, Thomas (Hrsg.): Peter Zumthor. Bauten und Projekte Bd. 2: 1990–1997, Zürich 2014.
Eckert, Willehad: Köln. Stadt am Rhein zwischen Tradition und Fortschritt, Köln 1979.
Erzbischöfliches Diözesanmuseum Köln (Hrsg.): Kolumba. Ein Architekturwettbewerb in Köln 1997, Köln 1997.
Eyll, Klara van: Das Kölner Hotel Disch im Kaiserreich, in: Deres, Thomas / Oepen, Joachim / Wunsch, Stefan (Hrsg.): Köln im Kaiserreich. Studien zum Werden einer modernen Großstadt, Köln 2010, S.117–129.
Fuchs, Peter (Hrsg.): Chronik zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2.: Von 1400 bis zur Gegenwart, Köln 1991.
Gührer, Ralf: Kolumba. Genese eines Konzepts (zugl. Frankfurt am Main, TH, Diss., 2018), Neustadt an der Aisch 2020.
Hoffmann, Godehard / Gregori, Jürgen: Moderne Kirchen im Rheinland, Worms 2014.
Junker, Hartmut: Sakralbauten der Architektenfamilie Böhm, Regensburg 2019.
Pehnt, Wolfgang: Gottfried Böhm, Basel 1999.
Raèv, Svetlozar: Gottfried Böhm. Bauten und Projekte 1950–1980, Köln 1982.
Ziffer, Alfred (Hrsg.): Bruno Paul. Deutsche Raumkunst und Architektur zwischen Jugendstil und Moderne, München 1992.