Objektangaben:
Titel: „Figur 12/60 Signal anthropomorph“ von Wilhelm Loth
Urheber der Fotografie: Wilhelm Loth (?)
Entstehungszeit der Aufnahme: 1960er Jahre
Technische Angaben: 23 × 17 cm, S/W-Abzug
Provenienz: Nach 1966/1970er Jahre in die Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts Bonn aufgenommen
Kommentar:
Der Sammlungsschwerpunkt der Fotosammlung des KHIs liegt eher bei Kunst des Mittelalters bis zur frühen Neuzeit, wobei Nachträge moderner Kunst nach 1945 vereinzelt zu finden sind. Das Konvolut, bestehend aus 35 Fotoabzügen mit Bronzeplastiken des Künstlers Wilhelm Loth, die zwischen 1960 und 1966 entstanden, ist daher eine Besonderheit; vor allem, da die statischen, deformierten und fragmentierten Körperformen durchaus schockierend auf Zeitgenossen wirkten.[1] Die Gestaltung der Kartons ist sehr homogen: Sie sind einheitlich beschriftet (Schriftbild, Gliederung, Material) und keine Institutsstempel oder Inventarnummern wurden verwendet.
Die Frage, wie und warum die Fotos Teil des Bestands sind, ist jedoch nicht eindeutig zu klären. Die Werkauswahl der Ausstellung „Wilhelm Loth. Plastiken und Zeichnungen“, die vom 13.11. bis11.12.1966 im Kunstverein Braunschweig[2] stattfand, ist nahezu deckungsgleich zu den Abzügen der Fotosammlung, insbesondere in Bezug auf den Entstehungszeitraum der Plastiken: Die Ausstellung zeigte 35 Bronzen von 1960–66. Auch die meisten der Fotos des Katalogs gleichen einander in Winkel, Ausschnitt, Beleuchtung und anderen Details, nur wenige weisen Unterschiede auf. Aufgrund dessen und der Abweichung in der Auswahl zweier Plastiken – die gezeigte „Figur 12/60 Signal anthropomorph“ war nämlich nicht Teil der Ausstellung – können die Abzüge der Fotosammlung nicht direkt aus dem Katalog stammen oder für diesen angefertigt worden sein.
Ein möglicher Hinweis auf die Herkunft der Fotografien ist die Dissertation von Uwe Haupenthal, die 1989 an der hiesigen Universität entstand. Zwar bezieht sich Haupenthal in seiner Arbeit auf Loths Werke von 1947 bis 1956, zieht jedoch auch zum Vergleich Werke der 1960er hinzu, deren Abbildungen denen der Fotosammlung gleichen. Als Quelle gibt Haupenthal das 1976 erschienene Werkverzeichnis von Josef Schmoll an. Kurios ist hierbei nur, dass die Abbildung der „Figur 12/60 Signal anthropomorph“ im Werkverzeichnis freigestellt und ohne Hintergrund gezeigt ist, während die Aufnahme in der Sammlung und in Haupenthals Dissertation einen gefliesten Boden im Hintergrund zeigt.[3] Anscheinend handelt es sich hierbei um eine fehlerhafte Quellenangabe; möglicherweise stammt die Vorlage für Haupenthals Publikation aus der Fotosammlung des KHIs. Dadurch bleibt die Urheberschaft der Fotografie unklar: In Katalogen wird Wilhelm Loth häufig selbst als Urheber der Fotografien seiner Werke angegeben. Andere Fotos des Konvoluts zeigen Schreibtische, Böden und andere Hintergrundobjekte, die vermutlich auf das Atelier des Künstlers hinweisen und daher ebenfalls von Loth aufgenommen wurden.
Der Blick in das Vorlesungsverzeichnis der 1970er liefert deutlichere Hinweise: Auffallend sind Eduard Triers Vorlesungen und Seminare, die sich mit der Plastik des 20. Jahrhunderts befassen.[4] Eduard Trier, der 1972 als Professor an den Bonner Lehrstuhl berufen wurde,[5] war an den Ausstellungskatalogen der Städtischen Kunstgalerie Bochum 1962[6] und dem Kölnischen Kunstverein 1965 beteiligt und veröffentlichte weitere Aufsätze über Wilhelm Loth.[7] Möglicherweise bestanden zwischen Trier und Loth persönliche Kontakte, denn der Künstler trug eine Widmungsarbeit zu der „Festschrift für Eduard Trier zum sechzigsten Geburtstag“ bei.[8] Trier galt durch seine Kritiken und weitere Publikationstätigkeit[9] seit 1948 als führender Kunsthistoriker moderner Plastik nach 1950 – zu einer Zeit, als Skulptur und Malerei nach 1900 von kunsthistorischen Lehrprogrammen deutscher Universitäten ausgeschlossen waren.[10] Eduard Triers Lehrtätigkeit und Forschungsinteresse lassen auch Vermutungen über die Herkunft weiterer Fotografien von Plastiken der Künstler Norbert Kricke, Henry Moore, Günter Ferdinand Ris und anderen zu. Jedoch bleibt unklar, warum eine vergleichsweise hohe Anzahl an Fotos von Loths Plastiken in der Fotosammlung zu finden sind.
Jasmin Roth
Anmerkungen:
[1] Vgl. Trier 1993, S. 326-328; Trier 1960, S. 24f.
[2] Vgl. Ausst.-Kat. Braunschweig 1966.
[3] Vgl. Haupenthal 1989, Abb.21; Schmoll 1976, Abb.59.
[4] Seminar „Probleme der zeitgenössischen Kunst (mit Besuch von Museen, Ausstellungen und Künstlerateliers“. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1973, Bonn 1973, S.273. Vorlesung „Geschichte der Plastik des 20. Jahrhunderts“. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1973/74, Bonn 1973/74, S.280. Seminar „Plastik nach 1945“. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1983/84, Bonn 1983/84, S.339. Vorlesung „Über Bildhauerkunst, mit besonderer Berücksichtigung des 20. Jahrhunderts“. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Vorlesungsverzeichnis für das Wintersemester 1984/85, Bonn 1984/85, S.355.
[5] Vgl. Müller Hofstede 1981, S.LIII.
[6] Die „Figur 12/60 Signal anthropomorph“ war zwar Teil der Ausstellung, allerdings ist im Ausstellungskatalog ein anderes Foto des Objekts zu finden (siehe Hintergrund). Vgl. Ausst.-Kat. Bochum 1962, Kat.-Nr.34.
[7] Vgl. Trier 1993.
[8] Vgl. Müller Hofstede / Spies 1981, S.XLI. Eduard Trier war als Zweitprüfer an Haupenthals Dissertation beteiligt.
[9] Nennenswert sind hierbei Trier 1954 und Trier 1960, die als Aufarbeitung und Grundlagenwerk zur Skulptur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelten, sowie die Publikation Trier 1971, die Positionen von Künstlern mittels Zitaten zu verschiedenen Aspekten des Kunstschaffens beleuchtet.
[10] Vgl. Müller Hofstede 1981, S.LIf.
Literatur und weiterführende Links:
Ausst.-Kat. Berlin 1962
Wilhelm Loth, hg. von Galerie Springer (Ausst.-Kat. Berlin, Galerie Springer, 24.03.–30.04.1962), Berlin 1962.
Ausst.-Kat. Berlin 1966
Wilhelm Loth, hg. von Galerie Springer (Ausst.-Kat. Berlin, Galerie Springer, 01.–31.10.1966), Berlin 1966.
Ausst.-Kat. Bochum 1962
Wilhelm Loth. Plastiken, Zeichnungen, hg. von Gertz, Ulrich (Ausst.-Kat. Bochum, Städtische Kunstgalerie, 13.01.–18.02.1962), Bochum 1962.
Ausst.-Kat. Braunschweig 1966
Wilhelm Loth. Plastiken und Zeichnungen, hg. von Schmücking, Rolf (Ausst.-Kat. Braunschweig, Kunstverein Haus Salve Hospes, 13.11.–11.12.1966), Braunschweig 1966.
Ausst.-Kat. Köln 1965
Wilhelm Loth. Plastik, hg. von Kölnischer Kunstverein (Ausst.-Kat. Köln, Kölnischer Kunstverein, 10.04.–11.05.1965), Köln 1965.
Ausst.-Kat. Lübeck / Hagen 1975
Wilhelm Loth. Plastik, hg. von Schadendorf, Wulf (Ausst.-Kat. Lübeck, Museum am Dom, 15.06.-13.07.1975; Hagen, Karl-Ernst-Osthaus-Museum, 10.08.–14.09.1975), Lübeck 1975.
Ausst.-Kat. Mannheim 1962
Wilhelm Loth, hg. von Kunsthalle Mannheim (Auss.-Kat. Mannheim, Kunsthalle, 29.09.–04.11.1962), Mannheim 1962.
Ausst.-Kat. Ulm 1964
Wilhelm Loth, hg. von Ulmer Museum (Ausst.-Kat. Ulm, Museum, 15.03.–12.04.1964), Ulm 1964.
Haupenthal 1989
Haupenthal, Uwe: Das plastische Menschenbild bei Wilhelm Loth mit einem Werkverzeichnis der Plastiken von 1946 bis 1956 (zugl. Bonn, Univ. Diss., 1986), Darmstadt 1989.
Müller Hofstede 1981
Müller Hofstede, Justus: Eduard Trier als Interpret der Modernen Plastik, in: Müller Hofstede / Spies 1981, S. LI-LXII.
Müller Hofstede / Spies 1981
Müller Hofstede, Justus / Spies, Werner [Hrsg.]: Festschrift für Eduard Trier zum 60. Geburtstag, Berlin 1981.
Schmoll 1976
Schmoll, Josef: Wilhelm Loth. Bildwerke in Metall 1947–1972, Darmstadt 1976.
Trier 1954
Trier, Eduard: Moderne Plastik von Auguste Rodin bis Marino Marini, Berlin 1954.
Trier 1960
Trier, Eduard: Figur und Raum. Die Skulptur des XX. Jahrhunderts, Berlin 1960.
Trier 1971
Trier, Eduard: Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert, Berlin 1971.
Trier 1993
Trier, Eduard: Das Menschenbild des Bildhauers Wilhelm Loth, in: Güthlein, Klaus / Matsche, Franz [Hrsg.]: Begegnungen. Festschrift für Peter Anselm Riedl zum 60. Geburtstag, Worms 1993, S. 325-329.