03. Oktober 2023

Objekt des Monats Oktober Objekt des Monats Oktober

Eine Fotografie der Kirche Sint Pieter in Löwen präsentiert von Jasmin Roth

Eine Fotografie der Kirche Sint Pieter in Löwen präsentiert von Jasmin Roth

Die St. Peterskirche in Löwen von Norden
Die St. Peterskirche in Löwen von Norden © KHI, Bonn
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.

Objektangaben:

Titel: Die St. Peterskirche in Löwen von Norden

Urheber der Fotografie: Richard Hamann, Bildarchiv Marburg

Entstehungszeit der Aufnahme: 1918

Technische Angaben: Fotografie, 170 x 225 mm

Provenienz: unbekannt

Kommentar:

Der Brand der Löwener Universitätsbibliothek Ende August 1914 wurde in kurzer Zeit mittels der Reproduzierbarkeit von Fotografien international bekannt. Die Bombardierung der Kathedrale in Reims im September desselben Jahres verstärkte die Reaktion der Medien, welche eine vollständige Zerstörung proklamierten. Die anklagenden Presseberichte sprachen von Barbarei, Vandalismus und Kriegsverbrechen, wodurch die politischen Beziehungen zwischen den Ländern endgültig zerstört wurden.[1]
Nach der Reaktion der alliierten Medien entstanden schnell konkurrierende Projekte als propagandistische Antwort, beispielsweise Wilhelm von Bodes „Einrichtung des Kunstschutz in besetzten Gebieten“ vom 27. August 1914.[2] Dieser „Kunstschutz“ wurde jedoch erst am 17. Oktober 1914 umgesetzt, als Paul Clemen bis zum 15. Dezember 1914 mehrere Forschungskampagnen in den wichtigsten „Märtyrerstädten“ anführte, deren Ziel darin lag, wissenschaftliche Berichte zugunsten der Deutschen zu schreiben.[3] Die fotografische Dokumentation in den Folgejahren war ebenfalls Teil dieser Kampagne, sodass ein belgisches Denkmalinventar ausgearbeitet werden konnte.[4]
Neben möglichst „objektiven“, dokumentarischen Aufnahmen der intakten Architektur entstanden aber auch Fotografien wie diese von Richard Hamann: Die Aufnahme wird von kriegszerstörten Bauwerken und Menschen im Vordergrund geprägt, sodass die St. Peterskirche lediglich in den Hintergrund rückt. Die qualitativen Unterschiede in der Arbeitsweise der Instanzen ist auch in den Quellen belegt: Hamann folgte seinen persönlichen Vorstellungen bei der Dokumentation und fertigte eine hohe Menge von Aufnahmen an, welche die vereinbarten Dimensionen sprengten, woraufhin die Preußische Messbildanstalt beauftragt wurde, sein Programm zu übernehmen.[5] Auf der linken Seite der Aufnahme ist auch das zerstörte Haus mit hohen, freistehenden Fenstern mit Spitzgiebeln zu sehen, welches von den französischen Medien als die zerstörte St. Peterskirche gezeigt wurde.

Weiteres zum Thema „Kunstschutz“ im Ersten und Zweiten Weltkrieg ist ab dem 5. Oktober 2023 in der Ausstellung „Kunstschutz“ – Fotografie zwischen Propaganda und Denkmalpflege im Universitätsmuseum zu sehen; gezeigt werden Fotoabzüge und andere Medien der Fotosammlung des Kunsthistorischen Instituts.

Jasmin Roth

Anmerkungen:
[1] Vgl. Gaehtgens 2018, 33, 54-56; Kott 1997, 6. Sowohl der Brand der Universitätsbibliothek in Löwen als auch die Zerstörung der Kathedrale von Reims wurden zu einem zentralen Leitmotiv für die Verbrechen der deutschen Truppen während des gesamten Krieges. Das Medium der Fotografie spielte hierbei eine entscheidende Rolle, da sich die Aufnahmen nicht nur vielfach reproduzieren ließen, sondern auch als unumgängliche Wahrheit aufgefasst wurden, obwohl Manipulation mittels Bildbearbeitung und Motivauswahl möglich waren. Während in Belgien das Bild des zerstörerischen Soldaten vorrangig verbreitet wurde, kamen in Frankreich Vorwürfe des Kunstraubs dazu. Vgl. Gaehtgens 2018, 93f.; Kott 2006, 27, 42-45. Hieraus resultierte auch die Wanderausstellung „Exposition d’oeuvres d’art et objets précieux sauvés en Belgique dans la région de l’Yser“, die 1917 kriegszerstörten Objekte zeigte, um die kulturelle Identität der Belgier, die durch die Angriffe sowie den Kunstschutz bedroht wurde, zu stärken. Von deutscher Seite gab es Gegenausstellungen, die „gerettete“ Kunstwerke zeigten, die allerdings zum Teil gegen den Willen ihrer Besitzer abtransportiert wurden. Vgl. Kott 2013 (1), 121f.; Kott 1997, 14f.
[2] Vgl. Kott 2018, 14; Gaehtgens 2018, 181; Kott 2006, 59.
[3] Vgl. Kott 2018, 28.
[4] Vgl. Kott 2018, 25.Für diese Inventarisierungkampagne eignete sich das Medium der Fotografie anstelle von Zeichnungen, da genauere und objektivere Aufnahmen möglich waren, weshalb sie zum Instrument der Kunstgeschichte wurde, die als Wissenschaft ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts genaue Reproduktionen benötigte. Vgl. Kott 2018, 12.
[5] Vgl. Kott 2018, 57; Dörler 2018, 147.

Literatur und weiterführende Links:

  • Dörler, Susanne: Der Kunstschutz im Ersten Weltkrieg in Belgien und Nordfrankreich und seine fotografische Dokumentation im deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte (DDK) – Bildarchiv Foto Marburg, in: Bandoux-Rousseau, Laurence / Chélini, Michel-Pierre / Giry-Deloison, Charles (Hrsg..): Der Kulturerbeschutz als Herausforderung im Ersten Weltkrieg. Kunst und Archäologie in den besetzten Gebieten 1914-1921, Arras 2018, 143–155.
  • Gaehtgens, Thomas: Die brennende Kathedrale. Eine Geschichte aus dem Ersten Weltkrieg, München 2018.
  • Goege, Thomas: Kunstschutz und Propaganda im Ersten Weltkrieg. Paul Clemen als Kunstschutzbeauftragter an der Westfront, in: Mainzer, Udo (Hrsg.): Paul Clemen zur 125. Wiederkehr seines Geburtstags, Köln 1991, 149–168.
  • Kott, Christina: Die deutsche Kunst- und Museumspolitik im besetzten Nordfrankreich im Ersten Weltkrieg. Zwischen Kunstraub, Kunstschutz, Propaganda und Wissenschaft, in: Kritische Berichte. Museum – Kunstschutz – Kunstraub 25/2, 1997, 5–24.
  • Kott, Christina: Préserver l'art de l'ennemi? Le patrimoine artistique en Belgique et en France occupées 1914-1918, Brüssel 2006.
  • Kott, Christina Kott: Guerre et patrimoine. L‘“Exposition des oeuvres d’art mutilées“ de 1916, in: Fabre, Daniel: Émotions patrimoniales, Paris 2013, 119–145.
  • Kott, Christina: De L’Inventaire Photographique Belge aux „Clichés Allemands“ 1914-1918, in: Kott – Claes 2018, 12–93.
  • Kott, Christina / Claes, Marie-Christine: Le patrimoine de la Belgique vu par l'occupant un héritage photographique de la Grande Guerre, Brüssel 2018.
  • Winter, Petra / Grabowski, Jörn (Hrsg.): Zum Kriegsdienst einberufen. Die Königlichen Museen zu Berlin und der Erste Weltkrieg, Köln 2014.

 

Wird geladen